22.02.2020 Hertha BSC vs 1. FC Köln 0:5

1. Bundesliga

Zuschauer: 45.086

Olympiastadion: Berlin

Ich war sehr froh, dass Wochenende nicht im völlig übergeschnappten Karnevalsrheinland verbringen zu müssen. Noch schöner wäre es gewesen, nicht schon wieder gegen einen Karnevalsverein spielen zu müssen. Sei es drum, es wartete der 1. FC Köln und somit ein weiterer Tabellennachbar auf unsere furiose Mannschaft.

Nach einem sehr entspannten Vormittag mit einem ausgiebigen Frühstück ging es für mich nach Charlottenburg und dann aufgrund der unregelmäßig fahrenden S-Bahn, mit der U-Bahn zum Olympiastadion. So war ich später als geplant am Stadion und betrat kurz vor der Stadionöffnung das Gelände. Nach dem üblichen Programm und einigem Dummgequatsche mit Tschernie betraten wir um 15:00 die Kurve.

Als Fußballfan ist man unglaublich naiv. Ich erinnerte mich noch gut an die schlechte Leistung in der letzten Woche, aber irgendwie klammert man sich wirklich an jeden Hoffnungsschimmer. Jeder kleine Erfolg könnte ja die Initialzündung sein. Was ist, wenn wir jetzt eine Serie starten? Gerade als Herthaner sollte man es besser wissen und nachdem der Ball bereits in der dritten Minute im Tor landete, war ich wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Es war ein typisches Hertha Gegentor: Ein nicht wirklich gefährlicher Schuss wird von einem Herthaner unhaltbar in das eigene Tor gelenkt. Wie oft haben wir das in dieser Saison schon erlebt?

Gerade in der ersten Halbzeit war die Leistung der Mannschaft absolut peinlich. Es stimmte nichts. Kein Pass kam an, kein Laufweg wurde gemacht. Ehrlicherweise war man mit einem 0:3 zur Pause noch gut bedient. Die Mannschaft kam dann etwas besser aus der Kabine, ließ jedoch alle Chancen ungenutzt. Nach dem nächsten Gegentreffer wurde das Fußballspielen wieder komplett eingestellt und so war das 0:5 ein leistungsgerechtes Ergebnis. So eine Packung gegen so einen Gegner haben wir auch noch nicht so oft bekommen.

Die Kölner kamen verkleidet in das Stadion und feierten ihren Karneval im Olympiastadion. Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht ging es auch erst nach 11:11 Minuten los. Auf jeden Fall war zu dieser Stelle ein deutlicher Aufschwung zu erkennen. Bedingt durch die Leistung der Mannschaft und unsere fehlende Gegenwehr erwischten die Kölner einen richtig guten Tag. Fast durchgängig waren sie bei uns zu hören, hatten sichtbar Spaß und schickten auch einige ironische Grüße in die Ostkurve. „Hey das geht ab- Wir schießen die Hertha ab“ und „Jürgen Klinsmann“ Sprechchöre waren schon irgendwie gelungen. Zudem wurde die zweite Halbzeit mit einigen Fackeln eingeleitet. Während der Pyroshow wurde ein Spruchband gezeigt, das sich gegen die Materialverbote richtete, die mal wieder von der Berliner Polizei ausgesprochen wurden.

In der Ostkurve war nach dem spielerischen Verlauf schnell die Luft raus. Nach einer feurigen Ansage des Vorsängers, rafften wir uns gerade noch einmal auf, ehe die Mannschaft auf lächerlichste Art noch das 0:3 kassierte. Die zweite Halbzeit wurde weitestgehend geschwiegen und stand im Zeichen einer unnötigen und langwierigen Auseinandersetzung in der eigenen Kurve. Als dann gegen Ende des Spiels aus den oberen Bereichen einige Lieder erklangen, fand ich diese der Situation entsprechend sehr passend. „Wir hol’n die Meisterschaft und den Europacup, und den Pokal- wenn nicht ist scheißegal!“. „Oh wie ist das schön“ und Laolawellen bei jedem gelungenen Pass, sowie tosender Applaus für jeden Fehlpass. Galgenhumor, wie sollst Du Dir sonst helfen?

Anscheinend kränkten diese Aktionen die sensible Mannschaft zutief. Jedenfalls gingen die Spieler sofort in die Kabine. Die Ansage traf wohl der heutige Kapitän Niklas Stark, der sich im späteren Interview „verarscht“ fühlte. Die Niederlage erklärte er damit, dass es nicht gelungen sei, den inneren Schweinehund zu überwinden. Wow! So spricht ein wahrer Führungsspieler.

Was diese Mannschaft sich in dieser Saison leistet ist einfach unfassbar. Ich habe schon viele schlechte Saisons von Hertha gesehen, aber diese konkurriert selbst mit den Abstiegssaisons. Die Mannschaft ist völlig dysfunktional, einfachste Dinge funktionieren nicht und so charakterschwache Spieler hatten wir auch selten. Es ist schwer bei diesem Thema nicht polemisch zu werden. Aber es ist auch wirklich schwer für diese Spieler, diese Leistungen und diese Aussagen Verständnis aufzubringen. Klar, ist es eine Illusion, dass wir nur Spieler bei uns haben, die die Fahne im Herzen tragen. Aber ist es wirklich zu viel verlangt einfach Grundtugenden zu verlangen? Kampfbereitschaft, Ehrlichkeit und ein gewisses Rückgrat? Offensichtlich schon. So schmerzhaft wie in dieser Saison wurde es mir noch nie bewusst. Die Lebensrealität dieser Spieler und die Lebensrealität der Ostkurve Hertha BSC ist völlig verschieden. Uns verbindet so gut wie nichts. Und wenn sich Niklas Stark verascht vorkommt- wie sollen wir uns denn eigentlich fühlen?

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