1. Bundesliga
Zuschauer: 58.028
Olympiastadion: Berlin
Heute ging es seit längerer Zeit das erste Mal erst am Samstag nach Berlin. Dadurch hieß es aber wieder früh aufstehen und ich verfluchte den Wecker, der mich so früh aus den Träumen riss. Die Zugfahrt verlief absolut unproblematisch und nach einem kleinen Nickerchen zwischen Bielefeld und Hannover hatte ich etwas mehr Energie getankt, für das, was mich am Nachmittag wahrscheinlich erwarten sollte. Noch ein paar Stunden in Charlottenburg verbummelt und dann traf ich mich mit Tschernie am Kaiserdamm, um die letzten Stationen gemeinsam zurückzulegen. Nach einem Cider am Parkplatztreff ging es dann hinein und heute war aufgrund des fehlenden Aufkleberverkaufs mal richtig viel Zeit. So früh war ich dann lange nicht mehr in der Kurve und ich verquatschte die Zeit bis zum Anpfiff.
In den Gesprächen war ich erstaunt über den grassierenden Optimismus. Viele Leute rechneten heute mit einem Sieg und führten dabei vor allem die Schwäche und die Verletzungsprobleme Bremens an. Mich überzeugten diese Punkte eher vom Gegenteil, denn normalerweise sind wir doch für Mannschaften jeden Niveaus der ideale Aufbaugegner. Nach sechs Minuten fühlte ich mich bestätigt und man erlebte ein heftiges Déjà Vue. Selbst gegen Werder Bremen gelang es uns zwei billige Tore zu fangen. Träumend und passiv wurde dieses Spiel einmal mehr wieder angegangen.
Also lief man wieder einem Rückstand hinterher. Die Mannschaft fand etwas besser ins Spiel und konnte durch den mich nervenden Niklas Stark den Anschlusstreffer erzielen. Der wieder sehr umtriebige Cunha konnte im Nachsetzen den Ausgleich erzielen. Man hätte meinen können, dass Hertha das Momentum nutzt, um den Sieg zu holen. Pustekuchen. Mit dem Unentschieden schwächte sich der Siegeswillen anscheinend wieder ab und die Passivität übernahm. Ein bereits gegebener Handelfmeter wurde durch den Videoschiedsrichter annulliert. Bitter, aber wohl richtig. So blieb es beim 2:2, das Werder zumindest auf Distanz hält, aber eigentlich viel zu wenig ist.
Die Ostkurve zeigte sich heute von ihrer guten Seite. Trotz des frühen Rückstands machten weite Teile der Kurve weiter mit und so war ich mit der Lautstärke sehr zufrieden. Das Lied „Die Zeit vergeht“ wurde noch einmal etwas länger gesungen, wobei der Funke wieder nicht wirklich übersprang. Schade! Denn ich finde dieses Lied grandios und werde nie vergessen, wie das Lied im Bus in Lviv von der gesamten Busladung geträllert wurde. Wie zu erwarten gab es auch von uns zahlreiche Spruchbänder rund um das Thema Kollektivstrafen und Hopp. Die Gruppa startete das Spiel mit: „Sieg oder Fadenkreuz“. Sehr gelungen und einfach nur traurig, dass Dazn daraus eine Morddrohung an Trainer Nouri machte. Das man so etwas überhaupt erklären muss, aber es war eine offensichtliche Abwandlung des bekannten Spruchs „Sieg oder Spielabbruch“ und mit einem Fadenkreuz kann man einen Spielabbruch ja offensichtlich erreichen.
Die Harlekins zeigten: „Schmiergelder, Kollektivstrafen, Tote in Katar – Wer die hässliche Fratze im Fußball ist, ist klar“. Zudem gab es ein Fadenkreuz mit dem DFB Banner im Fokus. Einfach nur lächerlich, dass sich zwei Polizisten die ersten Minuten auf der Laufbahn vor der Ostkurve platzierten und offenkundig Leute abfilmten. Ein offenkundiger weiterer Einschüchterungsversuch, der ins Leere laufen wird.
Die Mannschaft sollte nach dem Spiel noch einmal auf das wichtige Derby eingeschworen werden. Mit ganz viel Mühe und Not kamen sie zumindest auf einige Meter an uns heran. Man musste nur in die Augen gucken, um zu verstehen, dass uns Welten trennen. Teilweise konnte man sogar das Unwohlsein und die Angst in den Augen lesen. Ich glaube die wären froh, wenn wegen Corona die Spiele bald ohne Zuschauer ausgetragen werden.
Werder gefiel mir heute ebenfalls sehr gut. Trotz der schlechten sportlichen Situation ist die Stimmung dort offenkundig wesentlich besser als bei uns. Bestimmt 10.000 Werderaner waren heute im Stadion und waren immer mal wieder bei uns zu hören. Sicher lautstärketechnisch keine Maßstäbe gesetzt, aber optisch gewohnt stark. Chapeau auch für das Zeigen der Fahnen gegen den Videobeweis, als dieser dem eigenen Verein nutzte. Nur die fehlende, bzw. nicht wirklich vernehmbare Beteiligung am „Scheiß DFB“ Wechselgesang nervte.
Nach dem Spiel zwitscherte ich dann zügig ab, um dem Westberliner Kulturprogramm zu fröhnen.