1. Bundesliga
Zuschauer: 74667
Olympiastadion: Berlin
Wie sich die Zeiten geändert haben: Im November 2019 war ich ehrlich aufgebracht, dass wir in einem Auswärtsderby bei Union nicht der haushohe Favorit waren und die Buchmacher uns eine Quote von 2,50€ anboten. Im Februar 2023 hatten wir ein Heimspiel gegen Union. Wir als Tabellensiebzehnter- Union als Tabellenzweiter. Für einen Heimsieg gab es eine Quote um die 4€. Als Herthaner haben wir uns die letzten fünf Jahre irgendwie anders vorgestellt.
Für mich begann das Derby so richtig am Vorabend mit der Choreovorbereitung. Gemeinsam mit einer stattlichen Anzahl von Herthanern bereiteten wir eine Aktion vor, die 2/3 des Stadions umfassen sollte. Das Zettel falten, rollen und später an den Sitzen befestigen machte in angenehmer Begleitung wirklich Spaß. Außerdem war es ein überragendes Gefühl abends in diesem Kreis im wunderschönen Olympiastadion zu sein. Ich möchte mich wirklich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass wir irgendwann in einem Neubau spielen werden. Ich hänge viel zu sehr am Olympiastadion und seinem einzigartigen Charakter.
Am Derbyvormittag hatte ich dann wieder etwas unverhofft Leerlauf und konnte daher entspannt in den Tag starten. Nach einem Frühstück ging es dann aber doch recht zeitig nach Charlottenburg. Von dort lief ich dann mit einigen Stops zum Olympiastadion. Mit meiner Ankunft erhielt ich dann die Nachricht, dass ein Haufen von circa 300 Herthanern in einer S-Bahn festgehalten wird und eine erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet wurde. Schon auch irgendwie wild, denn zu diesem Zeitpunkt war ja noch nicht wirklich etwas passiert. Dementsprechend ernüchtert waren die übriggebliebenen Herthaner am Parkplatztreff. Schnell war zumindest klar, dass wir versuchen die Choreo durchzuziehen. Außerdem kam noch einmal Hoffnung auf, denn das Gerücht machte die Runde, dass der Haufen zur späten ersten Halbzeit am Olympiastadion eintreffen würde.
Ich ging dann kurz nach der Stadionöffnung rein. Neben einigen etwas frustrierten Gesprächen, verbrachte ich eine halbe Stunde in der Schlange für einen Hakiki Döner. Irgendwie war zu diesem Zeitpunkt auch alles schon egal. Helfer für die Choreo gab es noch mehr als genug, sodass wir gegen 14:30 runter in die Kurve gingen, um sicherzustellen, dass es nicht ausgerechnet im unteren Bereich der Kurve zu Lücken kommen würde. Immer wieder schweifte mein Blick nervös durch das weite Rund, um zu erahnen wie viele Leute schon im Stadion waren und ob das erhoffte Bild zu Stande kommen würde. Ich glaube mit Blick auf die Umstände kann man mit dem Bild sehr zufrieden sein. Nicht jeder Buchstabe kam komplett perfekt zur Geltung, aber im Großen und Ganzen hat das gut und diszipliniert geklappt. An solche Ausmaße kann ich mich im Olympiastadion auch noch nicht erinnern und mit Blick auf anwesende Unioner hatten wir richtig kalkuliert, indem wir auf der Haupttribüne bis zur Mittellinie gingen und auf der Gegentribüne fast bis zur Plexiglasscheibe. Am Ende wurde ein gewaltiges „Ha Ho He Hertha BSC“ sichtbar.
Mit Blick auf die Stimmung war ich am Ende ziemlich zerknirscht. Die Umstände mit der Personalienfeststellung, versauten die Hoffnung auf ein stimmungsvolles Derby auf beiden Seiten. Unseren Auftritt fand ich dann auch eher unglücklich. Wir hatten keine Zaunfahnen aufgehangen und es war offenkundig, dass Teile der Leute es bevorzugt hätten eher zu schweigen und in der Folge eher unmotiviert herumstanden. Gleichzeitig gab es Trommeln in der Kurve und angestimmte Gesänge wurden immer mal wieder aufgegriffen. So war es irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes. Es wurde immer mal wieder lauter, aber insbesondere die Ausdauer und die Durchschlagskraft fehlten.
Die Gruppen von Union erreichten ebenfalls verspätet den Gästeblock. Ich würde sagen, dass sie circa zur zehnten Minute im Block waren. In der Folge schafften sie es in der ersten Halbzeit nicht ihre Schwenkfahnen aufzubauen. In die zweite Halbzeit starteten sie dann aber mit einem hübschen Fahnenintro, das auf beiden Seiten des Marathontors gezeigt wurde. Dazu gab es zahlreiche Fackeln und Blinker. Über die gesamte Spieldauer hatte Union wahrscheinlich schon die leichte Stimmungshoheit. Durch die oben beschriebenen Umstände und den Spielverlauf war das aber auch nicht weiter überraschend. Enttäuschend fand ich den Auftritt mit Blick auf die Lautstärke aber dennoch. Viel zu oft verzettelten sie sich in einem Wechselgesang zwischen den Blöcken und wurden dadurch wirklich überhaupt nicht laut. Selbst nach dem Spiel bei der Siegfeier war das irgendwie merkwürdig gedämpft und während der Spieldauer gab es immer mal wieder minutenlange Pausen im Support.
Die Mannschaft zeigte sich heute von ihrem besseren Seite, wobei die Eindrücke hier auch bei uns Fans recht stark auseinandergingen. Ich fand, dass man heute offenkundig den Kampf angenommen hatte und gut im Spiel war. Klar, spielerisch gibt es gewaltige Defizite, aber man war nicht chancenlos. Union ist jedoch einfach kaltschnäuzig- das muss man einfach so sagen und erzielte durch einen Standard und einen Konter zwei Tore. Ab irgendeinem Punkt muss man da vielleicht auch einfach von Qualität, anstatt von Dusel sprechen. Extrem bitter, dass man vor dem 0:2 für Union auch auf Elfmeter für Hertha hätte entscheiden können. Das hätte den Spielverlauf natürlich völlig verändert.
Nach dem Spiel gingen wir dann noch geschlossen raus und ich entschied dann für mich, dass an so einem Tag nichts mehr Gutes entstehen kann und beendete den Derbyspieltag mit einem Minimarsch nach Charlottenburg, wo ich dann in angenehmer Runde ein schönes Abendessen einnahm und später noch etwas versackte. So endet dann der kurze Ausflug nach Deutschland mit 0 Punkten und einem Torverhältnis von 1:10. Danke Hertha!






