First Division B
Zuschauer: 400
Stade Roi Baudouin: Brüssel
Ich suchte verzweifelt nach einem Rückflug ab Frankfurt nach dem Hertha Spiel. Leider sollte es nicht sein. Die einzige Option war eine unfassbar teure Verbindung mit Abflugzeit 19:10. Zwar liegen das Stadion und der Flughafen nicht wirklich weit auseinander, aber das war selbst mir etwas zu heiß. Aufgrund der guten Flugzeit entschieden wir uns an stattdessen für einen Rückflug ab Brüssel und kamen am frühen Nachmittag mit dem ICE an.
Brüssel fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Es gibt Viertel, die ziemlich brutal sind und mit Blick auf Hygienestandards schon eine ganz schöne Nummer sind. So fühlt man sich schon etwas bescheuert, wenn man mit seinem Rollköfferchen durch so eine Gegend zu seinem Hotel rollert. Gleichzeitig bietet Brüssel eine wunderschöne Architektur, tolle Restaurants und Multikulti. Wir bekamen gerade noch so einen Tisch in einem portugiesischen Restaurant und spätestens ab diesem Punkt waren wir wieder angekommen in dieser Stadt. Ohne weitere Nachfrage wurde uns eine Flasche Wein auf den Tisch geknallt und zwei Stunden später torkelten wir glücklich aus dem Restaurant in die milde Brüsseler Nachmittagsluft. Wir drehten eine Runde durch die Innenstadt und ich erinnerte mich, wie ich vor 13 Jahren zum ersten Mal am Brüsseler Grand-Place Stand und komplett geflasht von der atemberaubenden Schönheit war.
Wir liefen dann mit einigen Umwegen durch vielfältige Viertel zum Stade Roi Baudouin. Einen letzten Stopp machten wir noch bei einem weiteren Café und dieses Mal ohne größere Planung war der Wirt wieder ein Portugiese. Eigentlich wollten wir nur ein kleines Getränk nehmen, aber wir wurden so herzlich in die Mitte dieser Spielunke aufgenommen, dass wir am Ende doch noch länger verweilten. Der Wirt nahm uns herzlich in die Gemeinschaft auf und akzeptierte uns als Teil der comunidade lusa. Der Eigentümer der Kneipe fing am Nachbartisch an zu zaubern, war wahnsinnig stolz auf seine Popcornmaschine und bestand am Ende noch darauf uns ein Getränk auszugeben. Es sind diese wunderschönen Alltagsmomente, die das Leben reicher machen.
Circa 20 Minuten vor dem Anpfiff kamen wir am Stade Roi Baudouin an. Seit 1995 trägt das Stadion den Namen des ehemaligen belgischen Königs Baudouin, der mit Blick auf die belgische Kolonialgeschichte nicht die rühmlichste Rolle spielte und auch beim Tod von Patrice Lumumba eingeweiht wesen soll. Zuvor war das Stadion als Heysel-Stadion bekannt und hat somit auch einen unrühmlichen Platz in der Fußballgeschichte. Im Europapokalfinale 1985 zwischen Juventus Turin und FC Liverpool kam es nach einem Angriff der Engländer zu einer Massenpanik, in der zahlreiche Menschen totgetrampelt und erdrückt wurden. Eine der Mauern des Stadions brach sogar noch zusammen, sodass am Ende 39 Menschen starben und mehr als 400 Fans schwer verletzt wurden.
Das Stadion wurde in den 90er Jahren komplett renoviert und umgebaut und war 1996 Austragungsort des Europapokalfinals. Auch bei der EM 2000 war das Stadion Austragungsort. Das Stadion sieht schon wieder relativ baufällig aus und so wurde sich eigentlich auf eine erneute Renovierung geeinigt. Diese sollte im Jahr 2022 eigentlich abgeschlossen sein- bisher hat sie aber noch nicht begonnen. Für Stadionliebhaber eine gute Sache, denn die Kiste ist wirklich eine Augenweide. Auf den Sitzschalen gab es eine zentimeterdicke Staubschicht und der Klabauterkeaper konnte sogar hinter dem Stadiondach das Brüsseler Wahrzeichen das Atomium entdecken. Das Stadion hat noch eine Laufbahn und somit gibt es auf beiden Seiten auch richtige Kurven. Aufgrund des geringen Zuschaueraufkommens war heute nur eine Tribüne geöffnet.
Das Spiel war recht kurzweilig und die Gäste aus Lommel konnten schnell mit 0:2 in Führung gehen. Die Gastmannschaft kommt aus der Stadt Lommel, die in der Nähe der niederländischen Grenze liegt. Im Mai 2020 wurde der Verein von der City Football Group gekauft und gehört somit zur Investmentgruppe aus Abu-Dhabi, die als Hauptverein die Anteile an Manchester City hält. In der zweiten Halbzeit kam die Nachwuchsmannschaft aus Anderlecht besser ins Spiel und konnte durch einen sehenswerten Schuss den Anschluss erzielen. In der 93. Minute konnte der Rechtsverteidiger Abdulrazak mit seinem zweiten Treffer sogar noch den verdienten Ausgleich markieren. Dies wurde von den circa 350 Zuschauern aus Anderlecht bejubelt. Die 50 Gäste guckten etwas betreten aus der Wäsche.
Wir fuhren dann mit der Tram zurück zu unserer Unterkunft und freuten uns über den letzten vollen Tag in Europa, bevor es am Samstag zurück nach China ging. Hoffentlich werden dort in der neuen Saison dann auch Zuschauer zugelassen und dieser Blog kann auch da mit Leben gefüllt werden.





