Schwarzwaldstadion: Freiburg
Zuschauer: 23800
1.Bundesliga
Ich hatte unglaubliche Lust auf die Tour in den tiefsten Süden der Republik. Am Vortag hatte ich die S-Bahn-Verbindung gecheckt und mir wurde ein Zug um 5.50 angezeigt. Das hätte mir eine knappe, aber doch sichere Anfahrt zum Hauptbahnhof ermöglicht. Als ich am Morgen die Pünktlichkeit überprüfen wollte, stellte ich geschockt fest, dass die Bahn doch erst um 06.00 fuhr. Mit einer Mischung aus Panik und Fatalismus prüfte ich weitere Möglichkeiten zum Bahnhof zu kommen. Es gab keine gute. Ich raste mit dem Fahrrad zum Rathaus Steglitz, nahm dort die U-Bahn und fuhr dann vom Zoo in einem Affentempo (haha!) zum Hauptbahnhof. Dort stellte ich in Sekundenbruchteilen mein Fahrrad ab, rannte zum Gleis und kam um 6.28 an. Abfahrt war um 6.30. Man, man, man. Völlig durchgeschwitzt, brauchte ich erst einmal eine halbe Stunde, um wieder herunterzukommen. Ich machte erst einmal einen Spaziergang zu meinen Kumpels, um mir mein Frühstück abzuholen. Danke an dieser Stelle für den Support! Dann musste ich mich unkorrekterweise in mein Abteil verabschieden, denn ich wollte die Stunden nutzen, um an meiner Masterarbeit zu werkeln. Von einer Glasscheibe getrennt verfolgte ich die Fahrt anderer Herthaner, die sich zu großen Teilen schon zu früher Stunde in andere Dimensionen schickten. Fast in Dauerschleife ließ der neue Hit „Morgens, Mittags, Abends ich muss saufen- der Hahn muss laufen.“ Das kreierte eine sehr produktive Atmosphäre, in der ich prächtig vorrankam. Nach circa drei Stunden bekam ich Besuch in meinem Abteil und die drei anders gestalteten Stunden, machten sich im Lautstärkepegel bemerkbar. Ich verließ erst einmal mein Abteil mit Kindern und führte das Gespräch im Gang. Irgendwann kamen wir dann in Freiburg an und als ersters stürmte alles zu den Schließfächern. Es gab nur riesige Dinger für 5 Euro. Absolut geisteskrank. Da hätte man locker ein paar Kinderleichen verstauen können, was man dann auch gerne gemacht hätte, einfach um den Platz in irgendeiner Form zu nutzen. Ich verzichtete erst einmal und versuchte mein Glück in den umliegenden Hotels. Diese hatten jedoch enorme „Sicherheitsbedenken“ und wiesen mich alle eiskalt ab. Danke Deutschland, ich küsse dein Herz! Also doch ein Schließfach für fünf Euro. Dann schlenderte ich noch durch die Stadt, die wie immer sehr schön wirkte. Um ein bisschen die lokale Küche zu genießen, gönnte ich mir in einem Café eine Currywurst mit Pommes. Meine Lust früh am Stadion zu sein, war heute auch nicht existent und so schlenderte ich erst noch ausgiebig durch die Gassen, bevor ich eine Bahn nahm und erst um 15.00 am Stadion war. Der Gästeblock in Freiburg ist ein einziges bauliches Disaster. Erst ab der circa vierten Reihe sieht man einen kleinen Ausschnitt des Spielfelds. Das ganze Spielfeld kann man glaube ich an keinem Ort des Gästeblocks sehen. Unser Vorsänger äußerte zu Beginn erst einmal Respekt an jeden, der die Reise an diesem Sonntag nach dem ganzen Gegurke der letzten Wochen, auf sich genommen hatte. Man sah auch erschreckend viele Gesichter, die unter der Woche in Lviv waren. Unter den knapp 1.300 Herthanern weilten auch wieder etliche Leute aus Karlsruhe. Die Stimmung war heute eher mäßig. Gerade nach den Vorfällen um Mitchell Weiser, der Fans am Flughafen sinngemäß entgegengeschleudert hatte: „Dann bleibt doch einfach zu hause. Ihr wart sowieso extrem leise und außerdem verdiene ich gar nicht so viel Geld“, war die Wut auf die Mannschaft ziemlich hoch. Die erste Halbzeit sollte aber noch einen Aufreger bereithalten. Julian Schuster, die alte Schabe sollte direkt vor unserem Block eine Ecke ausführen. Um seine Konzentration etwas zu fördern, wurde er durch eine Melodie aus unserem Megafon unterstützt. Die weinende Schabe musste daraufhin seinen Versuch abbrechen und heulte sich beim Schiri aus. Dieser hatte aber auch keine Einsicht und forderte Schuster auf den Eckstoß auszuführen. Nun waren natürlich alle Dämme gebrochen und alle Gestalten, die wir so aufbieten konnten, versammelten sich am Zaun und unterstützte Schuster moralisch. Als er dann theatralisch auch diesen Versuch abbrach und kurz danach wieder zur Eckfahne trottete, erbarmte sich jemand und verdünnte seinen Schweiß mit etwas Speichel. Erneute Theatralik und sein Teamkollege musste ihm dann die Spucke wegmachen. Nach drei Minuten wurde dann endlich die Ecke ausgeführt. Dann holperte vor unserem Zaun ein Freiburger Offizieller herum und regte sich tierisch auf. Was für ein sympathischer Verein. Auch auf den Tribünen übte sich das Spießbürgertum im kollektiven Kopfschütteln. Wir fühlten uns in der Situation natürlich pudelwohl und gaben Gesänge wie „Wenn wir wollen, schlagen wir euch tot“ zum Besten. Wunderbar. Dann war auch schon Pause und alle konnten sich wieder ein wenig beruhigen.
Auch nach der Halbzeit verweigerte die Mannschaft weiterhin die Leistung. Ein weiterer komplett bescheuerter individueller Fehler verursachte einen Elfmeter, den Freiburg sicher verwandelte. Auch danach war keinerlei Aufbäumen zu erkennen. Durch unfassbares Glück wurde uns ein Elfmeter zugesprochen. Kalou trat an und wie wir befürchteten, schoss er sang- und klanglos drüber. Wir steigen ab Leute. Nach nur drei Minuten pfiff der Schiri durch Unterstützung vom unsäglichen Videoschiedsrichter schon wieder Elfmeter für uns. Kalou schnappte sich erneut den Ball und jedem Herthaner war klar, was nun passieren würde. Der Fußballgot war aber gnädig und Kalou schob tatsächlich ein. Am Ende blieb es bei diesem glücklichen Punkt, denn Freiburg war die klar bessere Mannschaft. Nach dem Spiel wurde die Mannschaft wieder nicht besonders freundlich empfangen. Der Ehrenmann Mitchell Weiser suchte natürlich nicht das Gespräch. Einzig Skjelbred kam nach einer Aufforderung an den Zaun und hörte sich unsere Beschwerde über Weiser an. Angeblich hatte er von der Episode aber nichts mitbekommen. Naja…
Freiburgs Fanszene hinterließ keinen bleibenden Eindruck. Ein paar Schwenkfahnen und ganz wenig Lautstärke sind das kurze und knappe Fazit. Nach dem Spiel machte ich mich zügig aus dem Staub, um die Polizeieskorte zu vermeiden. Am Bahnhof deckte ich mich erst einmal mit Proviant ein und verdaddelte dann noch eine halbe Stunde im Wettbüro in der Nähe des Bahnhofs, wo ich mit Afrikanern, Arabern und Türken chillte und die Spiele des Tages verfolgte. Am Bahnsteig wurde ich dann räumlich vom Pöbel getrennt. Aufgrund des Jubiläums der Bahncard hatte ich nämlich eine 1.Klasse Fahrt für 25 Euro erhalten. So war ich circa 500 Meter von den anderen Herthanern entfernt und genoss eine ruhige und produktive Fahrt mit meiner Masterarbeit. Zwei Mal bekam ich Besuch von Herthanern, die die sterile Welt der ersten Klasse etwas auflockerten. Scheiß Bonzen, Scheiß Mannschaft!