23.11.2017 Athletic Bilbao vs Hertha BSC 3:2

Der dritte Europacuptrip in diesem Jahr begann mit der düsteren Vorahnung, dass dies vermutlich der Letzte für eine lange Zeit sein sollte. Denn wer glaubt ernsthaft daran, dass Hertha mal ein wichtiges Spiel gewinnen würde? Wie zuvor startete der Trip für mich an einem Dienstagmorgen. Dieses Mal ging es ganz spröde zum Flughafen Schönefeld, von wo aus uns eine Maschine von Rainer in die spananische Hauptstadt bringen sollte. Meine Weigerung den optionalen Nacktscanner zu nutzen, sorgte beim charmanten Berliner Personal für Panikattacken. Es fehlte nur noch, dass sich die beiden Konsorten auf den Boden vor Wut schmissen. Puh… Mit uns im Flieger waren schon einige Herthaner, die natürlich unmittelbar neben uns saßen. Ich verhielt mich unauffällig, verriet mich jedoch kurz vor der Landung, als ich etwas zu viel Detailwissen zu den Ansetzungen der spanischen Fußballmannschaften preisgab. In Madrid schien die Sonne und so versüßten wir uns die Wartezeit auf den Bus, in dem wir jeden einzelnen Strahl auskosteten, der unsere bleichen Gesichter umspielte.

Schon in Madrid konnte ich meinen Plan hier nur Englisch zu sprechen aufgeben, denn viele unserer Kontaktpersonen bevorzugten die wunderbare spanische Sprache. Schon nach der ersten Flasche Wein zum Mittag lisbelte ich aber ganz vorzüglich vor mich hin und fühlte mich für den restlichen Zeitraum als kleiner Polyglott.

Madrid machte schwer Eindruck auf mich und mir gefielen die engen Gassen, die unzähligen Bars, Parks und hübschen Gebäude. Wir flanierten durch die Stadt und schaufelten Unmengen an Essen in uns hinein. Die lokalen Tagesmenüs bestanden nämlich neben einem Dessert aus zwei vollwertigen Gerichten. Der helle Wahnsinn, der eine ausgiebige Siesta nur logisch macht.

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Am Mittwochnachmittag ging es dann mit dem Zug nach Bilbao. Bereits beim Betreten des Gleises wurde das Ticket kontrolliert sowie das Gepäck durch einen Scanner geschickt. Sicherheit geht vor. Der Zug war nur sehr spärlich gefüllt und ich versank schnell in den Zeilen von Carlos Ruiz Zafón, dessen Poesie mich seit dem Sonntag nicht mehr losgelassen hatte. In Bilbao fanden wir mit nur wenigen Problemen unsere Unterkunft und ließen uns von der strengen, aber herzlichen Gastgeberin eine Einführung in die Nutzung des Wohnraums geben. W-Lan Adapter immer ausschalten, Handtücher nicht an den falschen Haken hängen und die Tür mindestens vier Mal abschließen. Nach diesem Drill lechzte unser Körper nach Erholung und so belohnten wir uns mit einem leckeren Wein und einem Mitternachtssnack in der ziemlich ausgestorbenen Altstadt von Bilbao. Es waren jedoch schon reichlich Herthaner zugegen, deren unterschiedliche Verhaltensmuster ein wahres Fest für Anthropologen gewesen wäre.

Am Spieltag selber musste der unbändige Hunger nach Kultur gestillt werden und so zog es uns ins Guggenheim Museum, das neben einer beeindruckenden Architektur vor allem durch eine sagenhafte Stahlkonstruktion punktete. Erstaunlich viele Herthaner taten es uns gleich und besuchten das Museum, was die Intellektualität unserer Szene einmal mehr unterstreicht. Auch Michael Preetz ließ sich von einer süddeutschen Dame durch das Museum führen, wurde jedoch irgendwann der Kunst überdrüssig und verpasste somit die selbsternannten „Meisterwerke, die noch niemanden unberührt gelassen haben“. Generell wirkten einige Ausstellungsstücke schon so, als seien sie direkt dem Film „The Square“ entsprungen.

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Der knurrende Magen führte uns in ein nahegelegenes Viertel und in eine Taberne, in der wir abermals ein sehr leckeres und füllendes Mittagsmenü zu uns nahmen. Als Kompensation bestiegen wir noch einen umliegenden Hügel mit schönem Blick auf die Stadt und machten uns dann mit einigen Schlaufen auf dem Weg zum Treffpunkt.

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Sagenhafte 3.000 Herthaner hatten sich in Bilbao eingefunden und ein Großteil schloss sich dem Marsch zum Stadion an. Eine Wahnsinnszahl für unsere Verhältnisse. „Abgesichert“ wurde die Prozedur von der Guardia Civil, die nach einer sehr sympathischen Truppe aussah. Mit gezogenen Maschinenpistolen, in Rüstung und mit Sturmmasken vermummt luden diese Gestalten nicht gerade zu einem Pläuschchen ein. Gepaart mit den Spaniengeschichten anderer Vereine, verspürte man doch eine gewisse Aufgeregtheit bezüglich der Lage. Bis auf eine kleine hektische Situation blieb jedoch alles entspannt und der Hauptstadttross konnte begleitet von unzähligen Handykameras in- und außerhalb des Mobs zum Stadion ziehen. Aufgrund der geringen Anzahl an Ordnern, dauerte die Einlassprozedur ziemlich lange. Jeder durfte außerdem noch die Schuhe ausziehen, was mich zum Nölen brachte. Schon im Moment des Ausspruchs war ich mir nicht sicher, ob ich gesagt hätte der Boden oder der Ordner sei dreckig. Da ich jedoch sowieso ignoriert wurde, blieb es folgenlos und so war ich circa 45 Minuten vor Anpfiff im Stadion.

Bis 15 Minuten vor Beginn sah es so aus, als ob selbst das Stadion in Lviv besser gefüllt gewesen war, als die Arena in Bilbao. In wenigen Minuten füllte sich das Stadion jedoch nahezu komplett. Uns gegenüber tauchte dann auch plötzlich ein kleiner Stimmungsbereich auf, der jedoch bis auf einige Fahnen und einem Herumgepoge nicht weiter auffiel. Die Stimmung auf deren Seite war schon ziemlich mies und nur bei Pfiffen wurde es mal etwas lauter. Wenn man bedenkt, dass die Stimmung in Bilbao für spanische Verhältnisse gut sein soll, schwant einem da Böses.

Wir mussten aufgrund der restriktiven Bestimmungen komplett auf optische Unterstützung verzichten. Fahnen waren erlaubt, jedoch keine Fahnenstöcke… Desweiteren durfte keine Trommel verwendet werden, kein Megafon und als Schmankerl, keine Fahnen, die den Schriftzug „Ultra“ trugen. Traumhaft. Die Situation war schon verrückt, denn plötzlich waren 2.500 Leute mehr als bei den bisherigen Europapokalspielen mit uns im Block. Mir schwante böses bezüglich der Stimmung, aber ich wurde eines Besseren belehrt. Trotz der schwierigen Bedingungen ohne Megaphon und Trommel, schepperten unsere Gesänge massiv durch das Stadion. Vor alle in der ersten Halbzeit, hatten wir eine sehr gute Mitmachquote und die Mannschaft wurde nach vorne gepeitscht.

Es schien zu wirken, denn der Spielverlauf war fantastisch. Unsere couragierte Mannschaft wurde durch das 0:1 von Leckie belohnt. Eine Farceentscheidug des Schiedsrichters brachte Bilbao einen Elfmeter und den Ausgleich ein. Im direkten Gegenzug konnte der Selke Davie jedoch auf 1:2 erhöhen. Spätestens jetzt brachen alle Dämme und Teile des Hauptstadtsmobs entledigten sich der Oberbekleidung, um den Moment vollends zu genießen. Im November im Baskenland zu stehen und bei warmen Temperaturen sogar Hertha führen zu sehen? Wie lange haben wir darauf gewartet? In der Halbzeit schöpfte ich zugegebenermaßen Hoffnung, denn plötzlich waren wir Gruppenzweiter und hatten alle Trümpfe in der Hand.

Aber Hertha wäre nicht Hertha, wenn es nicht anders kommen sollte. Durch einen weiteren strittigen Elfmeterpfiff, servierte der Schiedsrichter Bilbao den 2:2 Ausgleich auf dem Silbertablett. Nachdem Herthas komplette Mannschaft gepennt hatte, stand es dann sogar 3:2 für Bilbao. Ein sehr bitteres Ende, denn somit sind wir in dieser Hammergruppe erwartungsgemäß ausgeschieden. Dennoch ein schöner Tag für jeden Herthaner! Nach dem Spiel mussten wir für circa 30 Minuten im Block bleiben. Sonst blieb aber alles ruhig und wir konnten der gruseligen Guardia Civil entfliehen. Auch aufgrund der chilligen Ordner, blieb das hier alles stressfrei. Wir testeten noch die lokalen Craft Beers, bevor es mit vielen Eindrücken in das Bettchen ging.

Ein gelungener Europacuptrip ging mit Stationen im wunderschönen San Sebastian, sowie Paris zu Ende, ehe mich der Zug direkt zum nächsten Auswärtsspiel nach Köln brachte.

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