Estádio da Luz
Zuschauer: 61996
Primeira Liga
Derbyzeit. Ich wachte bereits mit einem Kribbeln im Bauch auf und hatte Lust den ungeliebten roten Verein heute aus dem Stadion zu schießen. Wir reisten heute aus dem pittoresquen Monsanto an und bereits auf der Autobahn ins wunderbare Lissabon sah man etliche Autos mit Fußballfans. An einer Tankstelle hatte ich dann die Gelegenheit schon ein bisschen zu sticheln und den Benfica Fan daran zu erinnern, dass es bisher ja noch nicht so gut läuft in diesem Jahr. Generell ist es völlig verrückt, wie viel Platz dieses Derby in der portugiesischen Gesellschaft einnimmt. Bereits eine Woche vor dem Spiel, berichteten die Fernsehsender in Dauerschleife und in fast jeder Kneipe gab es nur ein Gesprächsthema. So musste ich zum Mittagessen in Ponte de Lima vor den Augen meiner Essensbekanntschaften einen widerlichen Schnaps vernichten, um zu beweisen, dass Sporting auf allen Ebenen überzeugen kann.
Nun war aber Spieltag und am frühen Abend trafen wir in Lissabon ein und konnten mit dem Flaggschiff, Vudi Röller und dem Klabauterkeaper einen stabilen Mob auf die Beine stellen. Wir fanden ein Restaurant, das uns trotz der Reservierungen für das Spiel einen Platz anbieten konnte und aßen erst einmal gemütlich zu Abend. Dann ging es mit der Metro in die ungeliebte Feindesregion. Anpfiff war heute erst um 21.30, was einfach eine völlig absurde Zeit für einen Mittwochabend ist. Wir verdaddelten noch ein bisschen Zeit und betraten dann den Stadionumlauf. Ohne Kontrolle ging es ins Stadion und vom dritten Stock konnte man die Sporting Fans sehen, die immer nur in kleinen Gruppen zu den Kontrollen vorgelassen wurden. Von einer Brücke schmissen ganz krasse Benfica Fans immer Böller in Richtung der eingekesselten Sporting Fans. Cool!
Ich hatte Karten direkt neben dem Gästeblock ausgewählt, in der Hoffnung noch auf einige Gleichgesinnte zu treffen, was auch ganz gut aufging. Erst einmal mussten wir uns jedoch an einer großen Gruppe deutscher Hopper vorbeischieben, die den tiefen Teller vermutlich nicht erfunden hatten. Ein Sponsor hatte heute wieder eine Choreo für Benfica finanziert und organisiert, was mich bereits wieder zum Zetern brachte. Für mich absolut unvorstellbar, wie man sich als Fanszene darauf einlassen kann. Das entstehende Bild war auch nicht gerade ansehnlich und in der Kurve wurde das Sponsorenlogo dann sogar noch einmal gezeigt. Puh, Fremdscham.
Zum Einlaufen der Mannschaft gab es auf beiden Seiten vereinzelte Pyrotechnik, was ganz nett anzusehen war. Dieses oft unkoordinierte Zündeln finde ich im Gegensatz zu Deutschland ganz erfrischend.
Das Spiel war nicht unbedingt hochklassig, aber extrem intensiv und beide Seiten schenkten sich nichts. Der Seitenwechsler Fabio Coentrão legte sich schon früh mit dem Heimpublikum an und wurde fortan bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Zudem wurden die Choreopappen vorhersehbarerweise zum Wurfgeschoss. Coentrão wurde am Kopf touchiert und sank theatralisch zu Boden, was jedoch weder den Schiedsrichter noch seine Teamkollegen wirklich interessierte. Fußballer sind Mimöschen.
Gelson Martins köpfte Sporting dann sensationell in Führung und kurz brachen auch bei mir alle Dämme. Prompt hatte ich eine Pranke auf der Schulter und dachte schon, dass ich jetzt Ärger bekäme, aber es war auch noch ein Sportinguista, der seine Freude mit mir teilte. Man, war das geil. In der Folge war Benfica die klar bessere Mannschaft. Der Ball knallte an die Latte, an den Pfosten, ging rechts vorbei, links vorbei, drüber. Alles schien hier heute für Sporting zu laufen. So hieß es für alle Sporting Fans Zittern und Bibbern. Bis in die 87. Minute funktionierte das wunderbar, aber dann gab es einen ärgerlichen Handelfmeter und die rote Schweinepest konnte noch ausgleichen. Meine Benfica Abneigung ist wirklich wesentlich größer als die gegen zum Beispiel Bayern und so war der Frust schon groß, als die ganzen Minusmenschen etwas zum Jubeln hatten.
Die Stimmung war heute einem Derby nicht ganz würdig. Das normale Publikum rastete zwar wieder stabil aus und feuerte Schimpfwortsalven ab, aber an organisierter Stimmung war das heute nur wenig. Benfica hatte wenige Momente, in denen mal das ganze Stadion miteinstieg, meistens, wenn der Stadionsprecher anstimmte. Sporting war da schon auf einem ganz anderen Niveau. Hinter den Zaunfahnen von Juve Leo, Torcida Verde, Brigada und dem Dirretivo war die Stimmung stets auf einem soliden Niveau. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sowohl ein Megaphon, als auch eine Trommel verboten war, was die Koordinierung erschwerte. In der ersten Halbzeit war das noch ganz gut, aber in der zweiten Halbzeit sackte die Stimmung doch etwas ab. Dennoch ein um Welten besserer Auftritt als Benfica, auch wenn man das eigentlich nicht extra betonen muss. Über der Juve Leo Fahne hing in der zweiten Halbzeit das Spruchband „Marco- uno di noi“, in Gedenken an den befreundeten Italiener, der vor einem Jahr im Zuge von Auseinandersetzungen mit Benfica von einem Auto überfahren wurde und verstarb.
Nach dem Spiel wurde die Sporting Mannschaft gefeiert, während die Benfica Spieler sich umgehend verdünnisierten. Als Sportinguista hat man auf jeden Fall das bessere Karma. Noch ist die Hoffnung nicht gestorben und mit einer guten Rückrunde, ist vielleicht sogar die Meisterschaft noch ein Thema.
Ein Wort noch zu den Helden auf beiden Seiten, die sich um den Gästeblock immer bepöbeln, in dem Wissen, dass eine Plexiglasscheibe und Polizisten schon dafür sorgen, dass nichts passiert. Wahlweise wird der Hals abgeschnitten, der Kopf weggeschossen oder die besten Stücke abrasiert. Dieses Verhalten, das man stets mit einer Mischung aus Staunen und Ekel betrachtet, motivierte den Klabauterkeaper dazu, seine Kakaotheorie zu formulieren, die es in sich hat. Einfach immer wieder einfordern, die Kakao Theorie zu hören! Es lohnt sich.
Wir bekamen unmittelbar in der ersten Metro einen Sitzplatz, was uns alle ziemlich erstaunte und fuhren müde in unsere Unterkünfte. Sporting!