DFB Pokal
Zuschauer: 53.525
Turnhalle auf Scheiße
Ich hatte keine Lust auf dieses Spiel. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Es ist DFB Pokal Achtelfinale, meine Mannschaft spielt unter Flutlicht und ich habe keine Lust hinzugehen. Wie konnte es nur so weit kommen?
Alles fing vor einigen Monaten an. Es war der Sonntag nach dem verlorenen Derby. Die Stimmung war mies und als dann auch noch ein Auswärtsspiel in Gelsenkirchen ausgelost wurde, ging es mir wie wohl 95% der Herthaner: Alles klar, wir sind ausgeschieden. Zu peinlich präsentiert sich Hertha seit Jahrzehnten im DFB Pokal- zu peinlich waren die Leistungen in der bisherigen Saison. Es war schlicht und ergreifend jenseits meiner Vorstellungskraft, dass wir dieses Spiel gewinnen könnten.
Kurz dachte ich dann: Na gut, zumindest die Anreise ist für mich human. Als ich mich näher damit beschäftigte, hatte sich jedoch auch das erledigt. Sollte das Spiel in die Verlängerung gehen, würde ich nicht mehr nach Hause kommen. Mit dieser Erkenntnis war mir dann eigentlich auch klar, dass das Spiel in die Verlängerung gehen würde. Also musste ich mir für den Tag ein Auto klarmachen, was mir über ein privates Carsharing zumindest auch kostengünstig gelang.
Also am Morgen noch das Auto abgeholt und dann am Nachmittag unter den strengen Blicken der Kollegen aufgestanden und in Richtung Auto spaziert. Die langsam aufkommende Vorfreude trieb mir der unfassbare Verkehr in NRW dann ganz schnell aus. Mir ist klar, dass ich an diesem Tag mit meiner Autofahrerei mit zum Problem beitrug. Manche der Autofahrer können sicher aus unterschiedlichen Gründen nicht auf ihr Auto verzichten. Einige könnten es aber sicherlich. Wie kann man sich ernsthaft diesen Stress, diesen Verkehr und diesen ständigen Zeitverlust ernsthaft Tag für Tag antun? Lasst die Autos doch einfach stehen und lasst uns eine vernünftige Bahninfrastruktur aufbauen.
Meine in den letzten Jahren gemachten Kilometer in Gelsenkirchen zahlten sich heute aus, denn so konnte ich direkt einen gut gelegenen Parkplatz ansteuern, ohne in Gelsenkirchen noch in einen riesigen Stau zu geraten. Mein Plan noch schnell Abend zu Essen wurde durch die frühe Schließung der Küche leider zunichte gemacht. Ich traf noch schnell den Klabauterkeaper, der ähnlich hirnverbrannt war wie ich und dieses Spiel nicht verpassen wollte. Während mir aber immerhin noch die Jungs im Gästeblock blieben, hieß es für ihn: Gegentribüne mit einer Schalker Kutte. Auch kein leichtes Los.
Ich lief dann zum Gästeblock und kam heute endlich mal entspannt in die Turnhalle, dessen Dach mal wieder geschlossen war. Dann runter in den Block und die Freude weitere Unverbesserliche zu sehen, war auch wirklich groß. Außerdem war der Block wesentlich voller, als beim Ligaspiel am Samstagabend. Fast 2.000 Herthaner bevölkerten zu dieser fanunfreundlichen Anstoßzeit unseren Bereich.
Schalke startete mit einer schönen Choreo in die Partie. Neben einem großen Schriftzug „Glückauf“ wurde ein Bergmann gezeigt. Die Stirnlampe wurde durch bengalische Fackeln zum Leuchten gebracht. Dazu gab es unzählige Wunderkerzen in der Gelsenkirchener Nordkurve. Sorgte für ein optisch schönes Bild. Für mich trotzdem unverständlich wie dieser Bergbaukult immer weiter zelebriert werden muss. Das kann man wahrscheinlich nicht verstehen, wenn man nicht aus der Region kommt, aber mir geht das einfach auf den Keks. Mittlerweile wird Gelsenkirchen sicher mehr von Shishacafés, als vom Bergbau geprägt. Warum nicht das einfach mal zum Thema einer Choreo machen? Shishastadt GE und rauchende Pfeifen stelle ich mir auch sehr schön vor.
Wir zeigten noch einmal die Blockfahne mit dem DFB Pokal vor unserer Ostkurve. Fand ich sehr schön, wie sich das durch die Partien im Pokal zieht. Vorne am Block war ein „Der Traum lebt weiter“ Spruchband angebracht und es wurden einige Blinker gezündet, um das Bild abzurunden.
Spätestens jetzt, war dann auch ich dabei. Und nicht nur ich, nein alle Herthaner schienen plötzlich doch an den Sieg zu glauben. Die Gelsenkirchener Nordkurve wurde die ersten 60 Minuten klar in die Schranken gewiesen. Die Gesänge schallten durch die Halle und plötzlich kribbelte es wieder. Was gibt es schöneres, als mit seinen Jungs und Mädels zusammenzustehen und unter Flutlicht die schönste Fahne der Welt zu schwenken? Als die Mannschaft dann auch noch gut spielte und plötzlich mit 2:0 führte, traute ich meinen Augen kaum. Den anderen ging es ähnlich und in den Gesprächen in der Halbzeit war Fassungslosigkeit und der Anflug von Euphorie zu spüren.
2:0 zur Pause- das muss doch selbst unsere Gurkentruppe über die Zeit retten. Sie tat es nicht. Nach einem schwer zu verstehendem Wechsel von Mittelstädt für Plattenhardt, wurde ebenjener Mittelstädt zweimal billigst ausgespielt. Auch Rune sah nicht gut aus. Nach einem Platzverweis von Torunarigha und einer eigenen Ecke, wurde Hertha ausgekontert und kassierte das 3:2. Was soll man dazu noch sagen? Jetzt war einfach nur noch Hass und Ernüchterung im Block. Wie kann man ein solches Spiel gegen so schwache Schalker noch vergeigen? Warum sind wir auf diese beschissenen Spieler angewiesen? Wir lieben den Verein Hertha BSC, aber diese Flitzpiepen rammen einem, Woche für Woche einen Dolch in das Herz.
Für viele bedeutete dieses Auswärtsspiel wieder zwei Urlaubstage. Zwei Urlaubstage, die man nicht hat, um sich zu erholen oder um mit der Familie zusammen zu sein. Man gibt so viel und sieht dann diese Mannschaft den Traum vom Pokalfinale ein weiteres Mal leichtfertig verspielen. Aus dieser Emotion heraus, geschahen dann auch die teils heftigen Reaktionen gegen die Mannschaft am Ende der Partie.
Ein Vorfall überschattete noch das Spiel. Jordan Torunarigha wurde von Schalkern rassistisch beleidigt. Der Schiedsrichter war über den Vorfall unterrichtet, veranlasste jedoch keine Ansage. Ein absolut widerliches Verhalten der Fans und ein mindestens unprofessioneller und unsensibler Schiedsrichter. Wundern muss man sich aber wohl nicht, wenn Schalke Boss Tönies nach wenigen Monaten Pause trotz seiner rassistischen Äußerungen ohne Konsequenzen weitermachen kann…
Voller Frust traf ich dann den Klabauterkeaper vor dem Gästeblock und wir liefen bei eisiger Kälte zum Auto. Um 02.00 waren wir im Bett. Um 07.00 klingelte der Wecker, um das Auto wegzubringen und einen weiteren Arbeitstag einzuläuten. Und bei Euch Profis so?






