AF Lisboa 1ª Divisão
Zuschauer: 250
Estádio Alfredo Marques Augusto: Lissabon
Ich war verdammt glücklich wieder in Portugal zu sein. Ob das im Jahr 2022 wirklich klappen würde, war im vergangenen Jahr alles andere als klar. Es war ein Sonntag in Lissabon und es gab erstaunlich wenige Optionen, um sich ein Fußballspiel anzuschauen. Durch die Länderspielpause und zahlreiche späte Ligastarts fielen zahlreiche Möglichkeiten weg. Mit der ersten Spielklasse des Fußballverbandes in Lissabon (fünftklassig) gab es jedoch einige tolle Partien zur Auswahl.
Nach Rücksprache mit Vudi Röller, wählte ich das Heimspiel von Olivais e Moscavide. Der Verein wurde bereits im Jahr 1912 gegründet und zwar auf dem Gelände, das heute den bekannten Bahnhof „Lisboa Oriente“ beherbergt. Das Stadion liegt direkt an der U-Bahn Station Moscavide und ist von zahlreichen Wohnsiedlungen umgeben. Mit dem frisch abgeholten Mietwagen steuerte ich früh das Stadion an und war mir sicher problemlos einen Parkplatz zu finden. Schlussendlich drehte ich drei Ehrenrunden durch das Viertel, bevor ich vor einem finster aussehenden Wohnblock einparkte. Die Zeit bis zum Anpfiff verbrachte ich noch mit einem kleinen Spaziergang durch das Viertel, einem gescheiterten Besuch auf der Außenterrasse eines Restaurants und schlussendlich einem Aufenthalt in einem kleinen Café.
Gegen 14:45 holte ich mir eine Eintrittskarte am Schalter und betrat dann das Stadion. Aufgrund der undurchsichtigen Laufwege lief ich sorglos in Richtung Spielfeld und landete geradewegs in einer kleinen Einheit Polizisten. Nachdem diese mir mit einem fragenden Blick einen guten Tag gewünscht hatten, drehte ich um und schlug den korrekten Weg in Richtung Tribüne ein. Das Stadion ist zu zwei Seiten ausgebaut. Auf der Geraden gibt es einige Reihen mit Sitzschalen und hinter einem Tor gibt es noch etliche Stufen. Das abgeranzte Feeling des Stadions harmoniert perfekt mit dem Blick auf die umliegenden Blocks des Stadtviertels. Lediglich der Kunstrasen gab kleinere Minuspunkte.
Ich schlug erst einmal den Weg in Richtung Vereinskneipe ein und musste meinen Mut sammeln, um auch wirklich einzutreten. Das waren schon Gestalten, die sich dort befanden und die Tische besetzt hielten. Nach der erfolgreichen Bestellung setzte ich mich und wurde von einem der Ghettochefs per Faust begrüßt. Auf dem Grill wurde mir dann eine saftige Bifana gebrutzelt, die sich in aller Bescheidenheit zu den besten in Portugal zählen kann und darf.
Das Spiel wurde von beiden Mannschaften sehr hitzig geführt. Die unklare Linie des Schiedsrichters beförderte den starken Körpereinsatz und Nickligkeiten auf beiden Seiten umso mehr. Die zweite Mannschaft von Alverca konnte in der 30. Minute in Führung gehen. Kurz nach der Pause konnte die Heimmannschaft jedoch ausgleichen. Dem sichtlich überforderten Schiedsrichter entglitt die Partie immer mehr. So verteilte er kurze Zeit später eine rote Karte an die Heimmannschaft. Nun kannten auch die Zuschauer kein Halten mehr und beleidigten in bester portugiesischer Manier das Schiedsrichterteam und die Gastmannschaft. Der Schiedsrichterassistent forderte dann einen der Polizisten auf die Personalien eines Herren aufzunehmen, was dieser auch direkt pflichtgetreu umsetzte. Ist ja allseits bekannt, dass Linienrichter die Befehlsgewalt über Polizisten haben.
Das stachelte das Publikum natürlich umso mehr an und immer mehr Beleidigungen und Flüche wurden ausgestoßen, verknüpft mit dem Wunsch, dass die Polizisten uns doch alle aufschreiben sollten. Es wurde immer wilder- sowohl auf den Rängen, als auch auf dem Platz. Kurz vor dem Schluss sahen die Gäste die Ampelkarte und die numerische Gleichheit war hergestellt. Die Heimmannschaft witterte Lunte und drückte erfolgreich auf die Entscheidung und machte in kurzer Zeit das erlösende 2:1 und 3:1. Zwar konnten die Gäste in der etwa zehnminütigen Nachspielzeit noch das 3:2 erzielen, aber am Ende blieb es bei einem spektakulären Heimsieg.
Neben dem beschriebenen motivierten Kuttenpöbel gab es noch circa zehn Leute, die das Spiel der Mannschaft von außerhalb des Stadions verfolgten, in dem sie auf einen Zaun kletterten. Gemeinsam gab es regelmäßige und sehr einfache Sprechchöre mit dem Vereinsnamen. Alles in Allem ein wirklich überragender Einstand in den portugiesischen Amateurfußball, mit einem tollen Ground, einem asozialen Publikum und einem wahnsinnig abwechslungsreichen Spiel. Vielen Dank.







Du hast schon immer das beste Gespür um eine sehr gute Bifana zu bekommen. 👍😀
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